Zum ersten offiziellen Trinkakt des Jahres treffen wir uns im neuen Domizil von Charles. Falco Veltliner hat sich zu uns gesellt, um als unser erster Gasttrinker einen Madiran vom Weingut Chateau Arricau-Bordes, Jahrgang 2012, näher kennenzulernen.
Nach etwas Geplänkel macht sich Charles auf die Suche nach dem Korkenzieher. In diversen Schubladen entdeckt er diverse Sammelsurien, deren Existenz er offenbar gleich nach dem Umzug verdrängt hat. Die schlanke Spiralform des gesuchten Werkzeugs ist aber in keinem der vergessenen Wirrsale verborgen. Schließlich findet er ein Schweizer Taschenmesser inmitten eines Kabelknäuels, in einer Tüte, in einer Kommode. Mit langsam trocknendem Angstschweiß versucht er die Flasche zu öffnen.
Trotz etlicher Versuche will es ihm nicht gelingen. Mit dem Kork zerbröselt auch unsere weltmännische Sommelierpose vor den Augen Falco Veltliners. Soll so unser Weinjahr beginnen?
Schließlich drückt Charles den verblieben Korkstumpen kurzerhand in die Flasche, wobei er die Küche mit Rotweinspritzern überzieht, und gießt den Inhalt schnell durch ein Sieb in eine Wasserkaraffe. „Man muss ihn sowieso dekantieren,“ versucht er zu retten.
Wir setzen uns auf das große, ungemütliche Ecksofa und nehmen erste Schlücke. „Hat was von Schnaps,“ sagt Falco. Die Instinkttrinker stimmen zu. Ein scharfe Alkoholnote schlängelt sich durch den Mund. Kein Wunder, der Wein hat 14,5%.
Davon abgesehen scheint er aber nicht viel zu bieten zu haben. Ein schales, bitteres Gebräu, das einem förmlich an den Zähnen zieht. Wie wenn man auf Traubenkernen und Stängeln von wildem Wein herumkaut, meint Charles. Siegfried glaubt immerhin noch einen „pfeffrigen Aufschrei“ zu vernehmen.
Wir lassen den Madiran etwas atmen, während wir mit Falco Veltliner etwas über Kulturförderung in Europa plaudern. Als uns die Fakten ausgehen – ziemlich bald also -, beginnen wir die Unterschiede österreichischer und deutscher Kickertische zu erörtern.
In der Zwischenzeit hat der Madiran in der Wasserkaraffe etwas an seinem Auftritt gearbeitet. Er schmeckt jetzt durchaus nach Wein und wir merken, dass wir ihm bisher unrecht getan haben. Eine intensive dunkle Fruchtnote ist da. Brombeere, meint Falco.
Siegfried nickt. „Brombeergeist“. Und das stimmt. Gleichzeitig ist das Würzige, Pfeffrige geblieben, wie auch die zahnziehende Trockenheit. „Als hätte man ein Stück Holz im Mund,“ meint Charles. „Ja. Zedernholz?“ Siegfried schaut fragend in die Runde. Keiner von uns hatte je Zedernholz im Mund, daher weiß auch keiner wie es schmeckt. Aber wir beschließen: genau so. Insgesamt hat sich der Madiran zu einer respektablen Erscheinung gemausert. Charles und Falco zweifeln aber daran, dass sie ihn noch einmal trinken werden.
„Aber Moment!“ Siegfried erhebt Einspruch. „An so einem Grillabend mit argentinischen Steaks? Da braucht man doch etwas, was gegen die Geschmackswucht ankommt. Da ist er genau richtig.“
„Stimmt! Oder bei einem richtig erdigen, heftigen Curry,“ meint Charles.