Instinkttrinker Season 2

Kontemplative Wanderung durch den Guntersblumer Kräutergarten

Die Instinkttrinker sind zurück! Dringende aber schöne Angelegenheiten haben unsere Schreibpause über Gebühr ausgedehnt. Doch ist nun glücklicherweise der Drang endlich groß genug geworden, uns einen schönen Sommerabend mit einem guten Tropfen zu versüßen und darüber zu berichten.

Wir lauschen in uns und den lauen Sommerabend hinein und wählen einen Riesling aus: Der Guntersblumer Himmelthal Jahrgang 2017. Dieser Wein hat auf verschlungenen Wegen zu uns gefunden. Ein Freund von Siegfried hatte sich arbeitsbedingt in das illustre Guntersblum begeben und dort auf Siegfrieds Wunsch hin beim Weingut Domhof vorbeigeschaut. Dort war Siegfrieds Name ein Begriff und drei vielversprechende Flaschen wechselten für einen fast symbolisch zu nennenden Betrag die Hände.

Zugegebenermaßen sind wir etwas nervös bei unserem Comeback. Etwas außer Übung öffnen wir die Flasche und machen uns gierig an das erste Glas. Unsere Geruchsanalyse: Dieser Riesling riecht nach Riesling. Aber schon beim ersten Schluck steigen unsere Augenbrauen in die Höhe. Keine Spur von der erwarteten Zitrusfrucht. Stattdessen ein kräftiger, leicht bitterer Kräutergeschmack. Wir stellen fest, dass dieser Tropfen unsere gesamte Konzentration benötigt. Das ist kein Riesling, den man plaudernd nebenbei schlürft, kein Partygetränk, er verlangt Aufmerksamkeit. Er ist trocken. Knackend trocken wie ein sonnengebleichtes Stück Treibholz vom letzten Frühlingshochwasser.

Eine feine Säure wirbelt langsam im Mund herum und erinnert Charles an Kieselerde. Vage vermeinen wir eine grüne, unreife Frucht unter dem Kräutergeschmack zu erspüren, aber wir kommen nicht weiter. Siegfried erahnt außerdem eine vielleicht taubnesselige Süße im Nachgeschmack. Aber all das verliert sich im Ungefähren. Der volle und edle Kräutergeschmack hingegen ist unzweifelhaft. Charles fühlt sich an die Kräutermischung für grüne Sauce erinnert. Oder doch Bergkräuter?

Ein Kraut sticht hervor. Im Geiste durchstreifen wir einen Kräutergarten, um es ausfindig zu machen. Liebstöckel? Nein. Bohnenkraut? Nein. Salbei? Auch nicht. Solange wir auch suchen, wir scheinen der Antwort nicht näher zu kommen. Auch ein zweites Glas will keine Klarheit bringen. Bald ist die Flasche leer, aber die Pflanze immer noch unbestimmt.

Obwohl uns dieser Riesling ausgezeichnet gefällt, macht uns der Ausgang unseres Neueinstiegs Sorgen. Diesen so spezifischen Geschmack nicht in Worte fassen zu können schmerzt: Unsere Instinkte scheinen uns im Stich gelassen zu haben.

Charles macht sich auf den Heimweg. Etwas niedergeschlagen.

Es ist schon tiefe Nacht, als er Siegfrieds Nachricht empfängt. Sie besteht aus einem Wort.

„Kerbel“.

Hallelujah!

Holpriger Aufgalopp

Zum ersten offiziellen Trinkakt des Jahres treffen wir uns im neuen Domizil von Charles. Falco Veltliner hat sich zu uns gesellt, um als unser erster Gasttrinker einen Madiran vom Weingut Chateau Arricau-Bordes, Jahrgang 2012, näher kennenzulernen.

Nach etwas Geplänkel macht sich Charles auf die Suche nach dem Korkenzieher. In diversen Schubladen entdeckt er diverse Sammelsurien, deren Existenz er offenbar gleich nach dem Umzug verdrängt hat. Die schlanke Spiralform des gesuchten Werkzeugs ist aber in keinem der vergessenen Wirrsale verborgen. Schließlich findet er ein Schweizer Taschenmesser inmitten eines Kabelknäuels, in einer Tüte, in einer Kommode. Mit langsam trocknendem Angstschweiß versucht er die Flasche zu öffnen.

Trotz etlicher Versuche will es ihm nicht gelingen. Mit dem Kork zerbröselt auch unsere weltmännische Sommelierpose vor den Augen Falco Veltliners. Soll so unser Weinjahr beginnen?
Schließlich drückt Charles den verblieben Korkstumpen kurzerhand in die Flasche, wobei er die Küche mit Rotweinspritzern überzieht, und gießt den Inhalt schnell durch ein Sieb in eine Wasserkaraffe. „Man muss ihn sowieso dekantieren,“ versucht er zu retten.

Wir setzen uns auf das große, ungemütliche Ecksofa und nehmen erste Schlücke. „Hat was von Schnaps,“ sagt Falco. Die Instinkttrinker stimmen zu. Ein scharfe Alkoholnote schlängelt sich durch den Mund. Kein Wunder, der Wein hat 14,5%.

Davon abgesehen scheint er aber nicht viel zu bieten zu haben. Ein schales, bitteres Gebräu, das einem förmlich an den Zähnen zieht. Wie wenn man auf Traubenkernen und Stängeln von wildem Wein herumkaut, meint Charles. Siegfried glaubt immerhin noch einen „pfeffrigen Aufschrei“ zu vernehmen.

Wir lassen den Madiran etwas atmen, während wir mit Falco Veltliner etwas über Kulturförderung in Europa plaudern. Als uns die Fakten ausgehen – ziemlich bald also -, beginnen wir die Unterschiede österreichischer und deutscher Kickertische zu erörtern.

In der Zwischenzeit hat der Madiran in der Wasserkaraffe etwas an seinem Auftritt gearbeitet. Er schmeckt jetzt durchaus nach Wein und wir merken, dass wir ihm bisher unrecht getan haben. Eine intensive dunkle Fruchtnote ist da. Brombeere, meint Falco.

Siegfried nickt. „Brombeergeist“. Und das stimmt. Gleichzeitig ist das Würzige, Pfeffrige geblieben, wie auch die zahnziehende Trockenheit. „Als hätte man ein Stück Holz im Mund,“ meint Charles. „Ja. Zedernholz?“ Siegfried schaut fragend in die Runde. Keiner von uns hatte je Zedernholz im Mund, daher weiß auch keiner wie es schmeckt. Aber wir beschließen: genau so. Insgesamt hat sich der Madiran zu einer respektablen Erscheinung gemausert. Charles und Falco zweifeln aber daran, dass sie ihn noch einmal trinken werden.

„Aber Moment!“ Siegfried erhebt Einspruch. „An so einem Grillabend mit argentinischen Steaks? Da braucht man doch etwas, was gegen die Geschmackswucht ankommt. Da ist er genau richtig.“

„Stimmt! Oder bei einem richtig erdigen, heftigen Curry,“ meint Charles.

– 50%

Kleine Rieslingreihe Teil 3

 

Siegfried sagt, „Genau so riecht ein Riesling.“ Aber als wir versuchen die Worte zu finden, für das, was wir da riechen, wird es schwer. Grüne Früchte… aber welche genau? Was macht diesen Rieslinggeruch aus? Schwer, schwer, sehr schwer.

 

Da uns unsere bisherigen Riesling-Extravaganzen der grundlegenden Beschreibung dieser Rebsorte nur bedingt näher gebracht haben, gilt unser Interesse heute abend dem gemeinen Riesling. Der genau das liefert, was man von ihm erwartet. Ein Discounterwein scheint die passende Wahl zu sein.

 

Wir nehmen einen ersten Schluck des Rieslings vom Weingut Leitz, aus dem Rheingau.

 

Beim Geschmack finden sich die Assoziationen schneller ein als beim Geruch: Gelbe Kiwi, die schon ein bisschen drüber ist. Deren beißende Schärfe setzt sich auf die Zungenspitze, Süße breitet sich aus und spät enthüllt sich auch noch eine verhaltene Alkoholnote.

 

Und da ist noch mehr. Etwas Mineralisches, aber nicht dieses trockene Gefühl, wie es vielleicht ein schieferhaltiger Boden hervorbringt, sondern etwas, das irgendwie feucht und nachgiebig ist, wie nasse Kreide.

 

Beim zweiten Glas merken wir, dass wir noch nicht fertig sind. Charles schmeckt Gurkenwasser. Vielleicht, meint Siegfried.

 

Und mit ein bisschen Geduld ergibt sich eine neue Fährte: Eine dieser Melonen, die innen grün sind. Man beißt in ein Stück und spürt die labbrige, klebrige Süße dort wo die Kerne waren. Genauso schmeckt das zweite Glas.

 

Wir stellen fest, dass dieser Wein uns keine bahnbrechenden Erkenntnisse über die wahre Natur des Rieslings geliefert hat. Gar nicht so einfach dieses Rebsortenantrinken.

 

Charles merkt außerdem an, dass unsere Leser aufgrund unserer Beschreibung ein Geschmacksfeuerwerk von diesem Wein erwarten werden. In Wirklichkeit ist er aber  auch etwas wässrig und vage. Naja, meint Siegfried, prinzipiell sind die Geschmäcker doch alle da. Nur muss man gedanklich 50 bis 80 Prozent abziehen.

Nach Urlauben und Umzügen

Kleine Rieslingreihe, Teil 2

Werte Weingenießer,

zu viel Zeit ist vergangen nach der ersten Folge unserer Rieslingreihe. Der Sommer, der ewig zu sein schien, hat sich schließlich doch verflüchtigt. Und der Wein, den Charles in Folge 2 mitbringen wollte, ist als Mitbringsel zu einer Abendessenseinladung veruntreut worden.
Daher zückt er jetzt eine Flasche, die er zum Geburtstag bekommen hat. Von wem eigentlich? Jedenfalls wird sie gebührend zelebriert werden.

LAURENTIUSLAY, Riesling Spätlese vom Weingut Carl Loewen.

Gleich beim ersten Schluck schimmert Honig in all seinen Facetten. Ein dichter, voller Geschmack. Wundervoll. Siegfried ist begeistert und Charles dankt innerlich dem mittlerweile unbekannten Gönner.

Nur, wo bleibt der typische Rieslinggeschmack, den wir aus unserer Erinnerung mit Zitrusnoten verbinden? Die nächsten Schlücke bringen mehr Honiggeschmack, vielleicht auch Honigmelone? Schließlich meint Charles‘ feine Nase noch etwas anderes zu erahnen. Während sich dieser wundervolle Trunk seinem Ende zuneigt, erkennen die Instinkttrinker: Einen Hauch reifer Mandarine. Eine dieser ganz kleinen, an ihrer Süße schon zerfallenden Mandarinen, die man Tage nach Heiligabend unter dem nadelnden Baum findet. Und damit haben wir doch noch die Zitrusfrucht entdeckt. Hat man die Mandarine einmal im Sinn, spürt man auch ihre zarte Bitterkeit.

Ein wunderbarer Wein. Nicht kompliziert, aber klar und schön. In zwei Szenarien trinkbar:

Nach dem Essen zu einer kleinen Auswahl von Weichkäsen.

Oder an einem glühend heißen Nachmittag. Es sind Ferien, der Tag in einer fremden Stadt gleitet in wunderbarer Ereignislosigkeit dahin. Man sitzt zu zweit auf dem Balkon im Schatten und trinkt diesen Wein eisgekühlt. Man blickt hinaus ins schöne Nichts des Sonnentages und spürt hin, wie er einem langsam zu Kopf steigt.

Gelb und blau

Kleine Riesling-Reihe, Teil 1

„Wäre es nicht schön, sich etwas Fachwissen zu verschiedenen Rebsorten anzueignen?“ Diese Frage stellten sich die Instinkttrinker unlängst. Ja, das wäre schön, vor allem, wenn man unserem Grundsatz des intuitiven Lernens Folge leistet und sich das Wissen antrinkt. Oder feiner gesprochen: Es ausschließlich über Nase, Zunge und Gaumen erwirbt, ganz unbeirrt von vermeintlichen Fakten.

Daher eine kleine Riesling-Reihe.

Den Anfang macht ein Riesling von 2016 aus der Pfalz, vom Weingut Spieß, und zwar ganz einfach deshalb, weil Siegfried ihn Charles zum Geburtstag geschenkt hat.

Ein prickelndes Feuerwerk empfängt uns beim ersten Schluck. Ein fast brauseartiger Sommergenuss, der dennoch feinverästelt und komplex wirkt. Unter dem Prickeln ist es fruchtig, aber auf welche Weise genau, bleibt uns längere Zeit im Unklaren.

Wir sehen Mauerseglern bei ihren flinken Volten zu und führen laue Gespräche über Urlaube und Umzüge.

Ein Glas weiter, die Flasche neigt sich bedrohlich ihrem Ende entgegen. Dann erkennen wir die Birne, überreife Birne, eine gelbe Birne, die beim Essen im Mund zerfließt! Dazu ein kalter Hauch von Wacholder. Eine begeisternde Mischung, gelb und blau, sagt Siegfried. Der Geschmack dieses Weins ist tatsächlich betörend, breitet sich im ganzen Mundraum aus und ist kaum zu lokalisieren. Siegfried vermutet, dass genau das mit „vollmundig“ gemeint ist.

Dieses erste Herantasten an die Eigenschaften des Rieslings stellt einen wahren Genuss für uns dar. Halbtrocken war dieser Tropfen, muss zur Einordnung vermerkt werden. Ein gelungener Auftakt, aber: Was macht einen Riesling aus? Von der Antwort auf diese Frage sind wir noch einige Flaschen entfernt. Immerhin teilt Charles mit, schon die nächste erworben zu haben…

Zugzwang

Eine Geburtstagsschlemmerei nähert sich dem Ende und wir sitzen an einem lauschigen Abend in einem von Kerzenlicht erleuchteten Innenhof. Der Geruch des frischen Lavendels betört unsere Sinne schon seit Stunden. „Ihr seid doch Blogger,“ mischt sich ein wohlbekannter weiblicher Gast vorlaut in unser Gespräch ein. „Ja…“ Wir kommen nicht mehr raus aus der Nummer. Eine Flasche Vinho Verde wird vor uns hingestellt mit einer ebenso charmanten, wie bestimmten Geste. „Über den müsst ihr schreiben.“

Aguarela Vinho Verde. Aha.

Es ist kurz vor Mitternacht, die Barbecue-Sauce hat die Geschmacksnerven bis zur Leistungsgrenze gedrängt, aber naja, wir lassen uns gerne die Gläser füllen.

Wir suchen nach der Jahreszahl auf dem Etikett, aber werden darauf hingewiesen, dass Vinho Verde immer vom Vorjahr ist. Logisch, wussten wir natürlich, nur vergessen.

Aber vor dem ersten Schluck muss die aromenverfälschende Duftkerze weggestellt werden, deren Dunst vor uns herumwabert. Wir sind schließlich keine Amateure. Richten sich alle Blicke auf uns oder bilden wir uns das nur ein? Ist es etwas stiller um uns geworden? Wir bringen unsere Augenbrauen in eine ausdrucksstarke Position und setzen die Gläser an.

Zuerst ein knisterndes Prickeln, das sich im Mund auftürmt und den frischen Geschmack einer gerade zubereiteten kalten Zitrone hat. Dann aber dreht der Aguarela einige Runden durch den Mundraum, bis wir vermeinen das erste Geheimnis entdeckt zu haben: Einen Grundton von grüner Pflaume, vielleicht sogar noch etwas unreif. Stachelbeere lässt sich außerdem noch hineindichten. Angenehm in einer heißen Sommernacht.

Wir trinken noch ein zweites und ein drittes Glas, um sicherzugehen, dass uns kein Aroma entwischt ist. Und ziemlich erfrischend ist der Tropfen, auch fernab der Atlantikküste. Wenn sich die frischen kühlen Fruchtnoten verflüchtigen bleibt die leichte Bitterkeit einer Physalis zurück.

 

CHAPEAU!

Während noch „Allez les bleus“-Rufe durch unsere Gedanken hallen,  greifen wir an diesem schönen Sommerabend zu einem Franzosen: Dem Antoine Simoneau Sauvignon Blanc 2016.

Äußerst angenehm taucht die frische Säure von Äpfeln auf. Sie berührt nicht die Zunge, sondern verbreitet sich stattdessen im ganzen Mundraum. Die genaue Natur der Äpfel bleibt für die Instinkttrinker zuerst noch schwer zu greifen. Kleine grüne, sagt Charles. Granny Smith, sagt ein charmanter, mittrinkender Gast. Weingummi-Apfelringe, sagt Charles.

Dann – vielleicht verändert sich der Geschmack des Weins, vielleicht aber auch nur unsere Wahrnehmung – scheint der Apfel weniger saftig, weniger frisch zu sein. Wie Apfelspalten, die schon etwas länger auf dem Tisch stehen, meint Siegfried. Ja, vielleicht. Nein! Er korrigiert sich selbst: Wie Dörrapfel. Ja, genau so schmeckt es.

Wenn der Apfelgeschmack entschwindet bleibt eine sanfte Tabaknote – nicht mehr als eine Ahnung. Wie von einer frischgerollten, noch nicht angezündeten Zigarre, die die Zungenspitze berührt hat.

Wir kehren wieder zurück zum Mittelspiel des Sauvignons. Da war noch etwas außer Apfel, meint Charles. Beim bedächtigen Weitertrinken ertastet er neben dem bestimmenden Apfelgeschmack ein zurückhaltendes Kräuteraroma… Estragon!

Die Instinkttrinker sind sich einig:

Ein feiner Wein, nicht zuletzt nach einem glutheißen Tag.


Verworrenes Fest in der verwunschenen Mühle

Kleine Rosé-Reihe Teil 3

Einer seltenen Einladung aufs Land folgend, sehen die Instinkttrinker die Möglichkeit, im Rahmen der Feierlichkeiten den ein oder anderen Rosé zu verkosten und somit unsere kleine Reihe weiterzuführen. Dieses Unterfangen stellt sich aber als ungeahnt schwierig heraus. Im Stimmengewirr ist es schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Aktuelle Vulkanausbrüche, der Niedergang der Nationalmannschaft nach Philipp Lahm, Beziehungserwartungen in Mexiko, Mikroplastik in Pflegeprodukten – all diese Themen ringen um Aufmerksamkeit und torpedieren unsere gaumenwärtige Innenschau.

Wir versuchen es trotzdem, und nehmen uns zuerst den Bordeaux Rosé AOC vor.

Charles vermeint geriebene Orangenschale zu erschmecken, aber Siegfried schreitet energisch ein: Es ist Pink Grapefruit! Und das stimmt. Der Geschmack ist herb und geradeheraus. Schnörkellos und überraschend langlebig.

Siegfried füllt nun die Gläser mit dem Gran Verdier Syrah Rosé den er vor einem Jahr getrunken und in guter Erinnerung hat.

Umso rüder ist das Erwachen. Dieser Wein versucht uns zu übertölpeln! Bevor sein Grundaroma wirken kann, wird es von sich rasch ausbreitender Süße überschwemmt, die sich langsam im Mund überschlägt. Sehr anbiedernd, findet Siegfried. Was liegt unter diesem gefälligen Kandisgeschmack und den vagen Fruchtaromen? Eine bittere, geradezu käsige Note, wie von Comté. Charles gesteht dem Tropfen noch einen Nachgeschmack von Rosenblättern zu, aber Siegfried bleibt auch hier bei Käse.

Unter Blitzen und Donnergrollen beginnt ein Sturzregen und wir drängen uns mit den anderen Gästen unter den Sonnenschirmen zusammen, die bald so durchnässt sind, dass sich fette Tropfen von ihrer Unterseite lösen.

Wir gießen uns etwas Corsaire Rosé ein.

Der Cosaire perlt frisch über den Gaumen ist aber erstmal schwer einzuordnen. Wir lauschen im Stimmengewirr in uns hinein. Nach einer langen Pause sagt Siegfried: „Stell dir vor, du reitest auf einem Schimmel durch die Provence.“ Charles stellt es sich vor. „Lass dich drauf ein.“ Charles lässt sich drauf ein. „Und jetzt denk an Lavendel, tiefdunklen Lavendel, der dieses Betäubende hat.“ Ja. Genau das ist es. Und dann klingt der Corsaire mit dem Geschmack von Walderdbeeren aus – halbreifen, auf der einen Seite schon roten auf der anderen noch weißen Walderdbeeren.

Welcher Wein ist nun der Favorit des heutigen Abends? Keiner der drei hat uns in Begeisterungsstürme versetzt. Nach einigem Überlegen einigen wir uns auf den geradlinigen, herben Bordeaux Rosé AOC, den wir beim Discounter erstanden haben. Er ist simpel und ehrlich und damit keine schlechte Wahl für den heutigen Sommerabend.

Genug. Das Wetter wird ungemütlich und in das ein oder andere Gespräch will man sich doch noch einmischen. Wir verschieben das Fotografieren der Flaschen auf den nächsten Morgen. Keine gute Idee.

 

 

Blender und Charmeur

Kleine Rosé-Reihe, Teil 2

Der laue Sommerabend verleitet die Instinkttrinker dazu, gleich zwei Weine zu verkosten.

Zuerst greifen wir zum Coteaux D’Aix-En-Provence 2017.

Frisch blüht er auf, mit einem leicht stachligen Prickeln am Gaumen. Deutlich schmeckt man den Alkohol heraus und schnellen Zucker, was uns zu der klaren Assoziation einer Bowle leitet, in der Dosenpfirsiche treiben. Das alles verhallt aber nach einem Augenblick, hinterlässt nur einen leichten Hauch von Grappa.

Naja, etwas enttäuscht sind wir schon, um ehrlich zu sein. Trotzdem ist es ein vertretbarer Sommerwein, der auf einer Party mit 40 Leuten unauffällig und angenehm vom Glas über den Gaumen schlenkern würde. Um ihn zu zweit zu genießen, verpufft er jedoch viel zu schnell. Seine Herkunft aus dem Discounter lässt sich eben nicht ganz verleugnen.

All unsere Hoffnungen knüpfen sich nun an die zweite Flasche:

Baronnie de Montgaillard 2016

Und hier sieht die Sache zum Glück schon ganz anders aus. Dieser Tropfen aus dem Languedoc tänzelt deutlich eleganter, mit perliger Säure die Zunge entlang. Zuerst scheint der Geschmack von weißem Kandis auf, um gleich wieder zu verschwinden. Eine leichte, edle Bitterkeit, wie von den Fasern einer Pampelmusenhaut, verschafft sich Raum, geht nach einem weiteren Moment in eine feine Dunstwolke über, als hätte man eine Orangenschale zusammengedrückt. Diese Orangennote bleibt länger bestehen, verleiht dem Baronnie de Montgaillard einen saftigen Ausklang.

Ein sehr gutes Getränk, um damit in der Hand gemeinsam in die Dunkelheit zu starren und das Abkühlen der Luft nach einem heißen Tag zu genießen – finden eure Instinkttrinker.

Epilog:

Leider scheint sich der Baronnie de Montgaillard 2016 nicht ganz einfach nachbestellen zu lassen. Aber wir halten die Augen danach offen.

 

 

Die Instinkttrinker melden sich zurück!

Kleine Rosé-Reihe, Teil 1

Wir sind zurück! Die Fastenzeit ist schon eine ganze Weile vorbei und es ist höchste Zeit wieder mit gezücktem Notizbuch das Kämmerlein zu öffnen, wo das weingefüllte Schwerlastregal wartet.

Auf der Türschwelle entscheiden wir uns dafür, nach der langen Wartezeit eventuelle Leser unseres Blogs mit einer programmatischen Neuerung zu überraschen. Genauer gesagt, wollen wir uns überhaupt an etwas wie einem Programm versuchen, noch genauer: An einer kleinen Reihe zu Rosés.

Die Wahl fällt auf den Elégance de Tourteau Chollet.

Siegfried probiert als erster und sagt sofort: „Ein richtiger Frühlingswein.“ Der erste Schluck ist von einem überraschend deutlichen, aber durchaus angenehmen Alkoholhauch umweht und ein kühler Geschmack – wie Messing – legt sich auf die Zunge. Siegfried erschmeckt süßen Taubnesselnektar, aber da ist noch eine andere deutliche Fruchtnote, auf die wir nicht direkt kommen.

Nach einigem Herumtasten haben wir es endlich: Es schmeckt nach weißem Plattpfirsich und dazu passt auch der ungewöhnliche, weiche, pelzige Nebenklang, der zusammen mit einer leicht bitteren Note an Pfirsichhaut erinnert. Charles vermeint darüberhinaus ein Prickeln festzustellen, aber Siegfried wiederspricht. Doch irgendetwas ist definitiv zu spüren, eine feinperlige Struktur, die auf den Geschmacksknospen schimmert.

Schon nach dem ersten Glas löst sich das Pelzige, Bittere auf und das Alkoholische verdichtet sich auf der Zunge zu einem Anklang kurzgereiften Cognacs. Ohne die bitteren Nebentöne tritt die Pfirsichnote jetzt klar und unmissverständlich hervor und macht für uns den Wein mit einem Schlag besonders. Siegfried hat die spontane Vision eines Frühlingsfestes mit Blumenschmuck aus weiß-orangenen Gestecken.

Wir beschließen: An einem lauen Frühsommerabend ist der Elégance de Tourteau Chollet genau der richtige Wein für einen Ausflug in den nächstgelegenen Park.

Zugbier

Zugbier, oh wie liebe ich Dich. Wildfremde bewundern das gekonnt eingeschenkte Weizenbier mit seiner herrlichen Blume. „Oh, das sieht aber lecker aus“. Ein freundliches Zuprosten, man

Erdinger Weißbier 2018

versteht sich, nicht nur Donnerstagabends an der schnellsten Theke Deutschlands. Was macht es so besonders nach einem Arbeitstag voller Termine in den Zug zu steigen und ein Weizen zu trinken? Das schnell einsetzenden Gefühl der Betäubung, das man sich schon seit Stunden herbeiwünscht, den deutlich einfacheren Einstieg zu einer netten Plauderei im Bordbistro oder dieses im Kopf manifestierte Gefühl, Feierabend, Weizenbier? „Zu viel Weißbier?“ ruft die Kellnerin einem wankendem zu. Für mich ist es dieser einzigartige Geschmack von Feierabend, ein Weizen und ein kleines Nickerchen, ist ja ne Dienstreise, dieser Moment legalisiert das Trinken und Dösen während der Arbeitszeit und das schmeckt man bei jedem Schluck.

Euer Harald

Malbec monday

Wie eine junge Weinrebe stehen wir auf dem noch kargen Boden unseres Weinbergs und wollen von unzähligen Winzern erzogen werden. Also los geht’s, Malbec Monday, ein Zufall, nein ein Schwerlastregal und das Aufräumen unzähliger Mitbringsel bringt uns heute auf diesen Pfad. Eins kann ich sagen, Terreo Malbec 2016, auf jeden Fall mein Geschmack. Notizen wurden keine gemacht. Aber hat der Wein einen leichten Stich Lila in der Farbe oder bin ich wieder geblendet von den Etiketten, eine echte Schwäche von mir. Egal, ich werde dieses Weihnachtsgeschenk nachbestellen und ausgiebig beschreiben! Danke Papa.

Euer Siegfried Syrah

… wird endlich gut.

Hiermit ist es geschehen: Wir geben ein Monopol auf. Über zwei Jahre lang sind wir die einzigen Offline-Blogger Deutschlands gewesen. Auf Zugreisen durch die Republik, in Landgasthöfen und Weinläden, auf Straßenfesten und Hauspartys fielen immer wieder die Worte: „Wir haben auch einen Weinblog. Instinkttrinker.“

Dass dieser Blog noch nicht im Internet existierte und streng genommen auch in keinem anderen Medium – abgesehen vom altehrwürdigen Vehikel des gesprochenen Wortes – störte uns wenig. Denn bald, am Wochenende wahrscheinlich, würden wir uns zusammensetzen und das Ding anfangen.

In anderen Lebensbereichen sind wir mit leeren Versprechungen der Art, ob uns selbst oder anderen gegenüber, immer recht gut gefahren. Leider gab es in diesem Fall einen neuartigen Faktor: Den Offline-Follower. Unzufriedene Offline-Follower können äußerst unangenehm sein. Nicht zuletzt sind sie in der Lage einem nicht nur metaphorisch sondern auch physisch folgen. Unsere Situation verfinsterte sich und wir entschlossen uns endlich den Schritt ins Digitale zu unternehmen.

Aber dann, in den vergangenen Tagen, überkamen uns wieder Zweifel. Nicht dass wir uns vor Arbeit scheuten. Einen Wein zu trinken und mit tanninbepelzter Zunge die richtigen Worte dafür zu suchen ist für uns zu einem vollkommen intuitiven Prozess geworden. Aber hatten wir uns nicht ohne es zu merken ganz dicht an die Pyramidenspitze der Informationsavantgarde bewegt? Sollten wir nicht an unserem organisch entstandenen Offlineblogkonzept festhalten und unsere Posts – in Form von per Matrize verfielfältigten Zetteln – über die schwarzen Bretter von Supermärkten, Universitäten und Zoohandlungen verbreiten? Würde uns nicht bald von Dalston bis Williamsburg nachgeeifert werden?

Wir werden nie erfahren, was gewesen wäre. Unser Zaudern muss irgendwann ein Ende haben, auch wenn dafür Zukünfte geopfert werden müssen. Und so befinden wir uns hier, in einem gutverborgenen, noch kaum besuchten Winkel des Internets und warten auf unsere digitalen Gefolgsleute.

 

 

 

 

Was lange währt…

Wenn man weiß, was man riechen soll, sind die Rosen und Veilchen nicht mehr aus der Nase zu bekommen.

Ruchè Di Castagnole Monferrato 2015

Wenn man es nicht weiß, riecht dieser Ruchè wie der erste Siloanschnitt bevor der silierte Mais der Kuh verfüttert oder der Biogasanlage einverleibt wird. Findet zumindest Siegfried Syrah.

Für die Instinkttrinker bedeutete dieser Wein eine steile Lernkurve. Zuerst in kleine Rotweingläser gefüllt und ohne Zeit zu atmen angegangen, war wenig Mythisches an dem Tropfen. Allenfalls die purpurne Färbung fiel auf. Als dann aber ein Glaswechsel vorgenommen wurde – erzwungen durch einen lampenfiebrigen Ellbogenstoß von Charlie Chardonnay – und der Wein durch das Ringen mit dem Layout etwas Zeit bekam, eröffneten sich jedoch außergewöhnliche Aromen.

Also – wichtig für Genießer, damit nicht das Salatdressing mit diesem besonderen, aber in kleinen Gläsern nach Essig riechenden Wein abgeschmeckt wird – trinkt ihn aus bauchigen Gläsern!

Aber wie schmeckt er? Keine Spur von Blumen. Er wirkt klar, hat eine gewisse Schwere und einen in sich geschlossenen Geschmack, der sich auf seinem Weg über Zunge und Gaumen nicht verändert.  Aber trotz seiner Klarheit ist das Aroma schwer zu fassen. Sehr fruchtig, aber die üblichen Verdächtigen scheiden aus. Nach längerem Herantasten vermeinen wir Holunderbeeren zu erschmecken. Siegfried entdeckt dazu überreife Kirsche. Nach einer guten Weile bemerkt man auch einen Hauch von Tannin. Und noch viel später: Die Rosen und Veilchen stehlen sich nun doch auf die Zunge.

Fazit: Ein sehr schöner Wein, der die Instinkttrinker direkt zu Beginn vor eine schwere Prüfung gestellt hat: Mit einem ganz klaren Aroma, das sich aber noch unseren Beschreibungsversuchen entzieht. Dieser äußerst ungewöhnliche Tropfen ist etwas für den stillen Genuss, aber eignet sich auch hervorragend für alle jene, die mal mit Kennergeschmack beeindrucken wollen.